Als „Cityslicker“ in Montana

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Mein Ranchaufenthalt  auf der Flynn-Ranch/Montana-USA im  September 2008

Schon lange hatte ich den Traum einmal als Cowgirl auf einer Working-Cowranch in Montana mitzuarbeiten.  Im September 2008 erfüllte sich dieser Traum und ich trat meine Reise am 14. des Monats am Frankfurt/Airport  an.

Ich flog  in 10 Std mit Lufthansa nach Denver /Colorado wo ich einen 5 stündigen Zwischenstopp einlegen musste, bevor ich mit United Airlines nach Bozeman/Montana weiterfliegen konnte. Auf meiner langen Flugreise wurde ich von meinen amerikanischen Mitreisenden tatkräftig unterstützt und ich traf nur nette und freundliche Menschen. Am Flughafen Bozeman angekommen verständigte  ich telefonisch den Shuttle-Service meines Hotels Best Western Gran Tree der mich nach ungefähr 24 stündiger  Reise in mein Hotel brachte.

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„Mein Hotel – Best Western Grant Tree in Bozeman“

Nach einer angenehmen Nacht und dem ersten amerikanischen Frühstück empfing mich Montana mit strahlendem Sonnenschein und dies sollte sich auch die kommenden Tage nicht ändern. Das Wetter war herrlich und ich wurde gegen 11:00 Uhr Ortszeit vom Besitzer meiner Gastranch am Hotel  abgeholt.  Wir fuhren durch die Weiten Montanas und erreichten nach einer Stunde die Flynn Ranch wo ich sogleich meine 6 Mitstreiter für die kommende Woche kennen lernte. Diese  waren 2 Damen aus England, ein englisches Ehepaar auf Hochzeitseise sowie ein Mann und eine Frau aus Deutschland.

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„Die Cityslickers“

Die Ranch von Ted und Debra  Flynn bestand aus einem Bugalow und mehreren kleinen Gebäuden die als Gästehäuser und Bad hergerichtet waren. Daran schlossen sich Scheune und Schuppen an, die für den Winterfuttervorrat genutzt wurden. Alle Gebäude waren aus Holz gebaut und durch ebenfalls hölzerne Gehwege miteinander verbunden.

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„Ted und Debra Flynn – das Rancher-Ehepaar“

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„Unsere Verpflegungsstation auf der Ranch“

Nachdem wir unsere Unterkünfte bezogen hatten, gab es eine erste Besprechung im Haupthaus der Ranch bei der uns der Tagesablauf näher erklärt wurde und wir unser „Cowgirl“  Conny kennen lernten. Sie sollte uns die nächste Zeit durch die Weiten Montanas begleiten und war für uns verantwortlich. Für unser leibliches Wohl war „Smitty“ zuständig, ein ehemaliger Koch der US-Armee  und wie sich später herausstellte ein Meister seines Faches.  Am und im Haus gab es in großen  Kühlboxen  alle Arten  von Getränken die jedem und ohne Einschränkungen zur  freien Verfügung standen.

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„Unsere Unterkünfte auf der Ranch“

Anschließend wurde jedem für die kommende Woche ein Pferd und Sattelzeug zugeteilt und es folgte sogleich ein ausgedehnter mehrstündiger Ritt über die Prärie. Conny machte sich dabei ein erstes  Bild unserer reiterlichen Fähigkeiten und sie kam zu dem Schluss dass wir sehr gut als Gruppe zusammen passen würden. Außerdem zeigte sich  das jeder einzelne von uns ein sehr guter Reiter war.

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„Unsere Pferde – gesattelt und zum Abritt bereit“

Zurück auf der Ranch erwartete uns ein wirklich leckeres, reichhaltiges Abendessen welches  keine Wünsche offen ließ und dass unser Koch „Smitty“ bei der Zubereitung und der Wahl der verschiedenen Gerichte zur Hochform aufgelaufen war.

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„Smitty, unser Koch, ein Meister seines Faches“

Außer Pferden und Katzen gab es auch noch 11 Bordercollies auf der Ranch die für die Rinderarbeit eingesetzt wurden.  Das Rudel bestand aus 8 erwachsenen Hunden im Alter zwischen 2 und 10 Jahren ,sowie einem  4 monatigen und zwei 10 monatige Welpen die aber noch zu Hause bleiben mussten ,wenn es zu den Rindern ging. Die Farbenpalette der Hunde reichte von schwarzweiß über darksable und tricolor bis hin zu blauweis. Das Haarkleid war bei allen Hunden mittellang und sie waren alle sehr wendig und aufmerksam.

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„Das Border-Rudel auf der Ranch – stets aufmerksam“

Aus der Erfahrung meiner früheren Reisen nach Kanada wusste ich, dass dort für diese Arbeit ausschließlich Australien Cattle dogs eingesetzt wurden und man dort von Bordercollies für die Rinderarbeit nicht viel hielt.

Dass Bordercollies gute Arbeitshunde für die Ziegen und Schafhaltung sind wusste Ich, aber noch nie zuvor hatte ich gesehen wie sie an Rindern arbeiteten, doch dies sollte sich bald ändern.

Ted liebte seine Hunde, denn egal wo er sich aufhielt  war auch das Rudel zu finden. Ob bei der Arbeit oder später im Haus, wo es sich Ted am Fernseher bequem machte, sie waren überall dabei.

Die Hunde standen gut im Futter, nur der Pflegezustand ließ zu wünschen übrig. Aber nachdem man gesehen hatte wie die Hunde den Tag verbrachten, war dies auch nicht sehr verwunderlich. Sie mussten durch Gestrüpp, Staub und Wasser, krochen durch Stacheldraht und die Kletten taten ihr übriges.

Nach all den Strapazen des Fluges und der Zeitverschiebung viel ich hundemüde aber glücklich um 20:00 Uhr in mein Bett und verbrachte meine erste Nacht als „Cowgirl“ auf einer Ranch in Montana.

Am zweiten Tag mussten wir zeitig aufstehen. Um 7 Uhr war Pferde putzen und satteln angesagt. Danach gab es ein ausgiebiges Frühstück in großer Runde und für das Mittagessen welches immer aus  Sandwich , Obst , Süßigkeiten und Getränken bestand wurden die Satteltaschen gepackt.

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„Unsere Pferde warten geduldig bis es endlich los geht“

Nachdem wir unsere Pferde fertig ausgerüstet hatten und  das Frühstücksbuffet gestürmt hatten, wurden die Pferde in große Trailer verladen und wir Fuhren ca. 1 Stunde ins Landesinnere bevor  wir an Teds Weiden ankamen. Die Pferde wurden ausgeladen und wir machten uns auf die Suche nach den ersten Rindern. Es kam nicht selten vor dass wir  1-2 Stunden reiten mussten, bevor wir sie auf den riesigen Flächen fanden.  Die Weiden sind so unvorstellbar groß, durchzogen von Bächen, Tälern, Hügeln, Bäumen und Gestrüpp und es war manchmal sehr schwer auch das Letzte der Tiere zu finden. Doch Conny wusste genau wo wir  suchen mussten. Wir trieben die Tiere zu einer Herde zusammen um sie dann auf andere Weiden zu führen, die noch ein besseres  Futterangebot hatten.

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„Die Weiten Montanas – atemberaubend und schön“

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„Der Horizont war unser Ziel“

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„Mein Pferd Rosi und ich – wir waren ein gutes Team“

Es mussten Stachelzäune repariert und Durchgangstore auf und zu gemacht werden, damit die Tiere auch auf den vorgesehenen Grasflächen blieben. Manchmal ritten wir eine ganze Zeit hinter den Rindern in Schritt, bis es sich wie auf ein Kommando einige anders überlegten und in Windeseile davon stürmten. Bis zu dieser Zeit war mir nicht bewusst, wie schnell und wendig Rinder sein können. Der Reiter der am nächsten bei den davon stürmenden Kühen war, musste sodann schnell reagieren und aus dem Stand mit seinem Pferd angaloppieren, um die Ausreiser wieder zurück zubringen.

Es war dabei völlig egal ob es bergauf oder bergab ging, oder ob gerade ein Fluss überquert werden musste.

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„Noch ist alles Ruhig – aber das konnte sich schnell ändern und dann ging es in vollem Galopp“

Zu Hause hatte ich schon an vielen Wanderritten teil genommen, die auch mitunter sehr anstrengend waren,  aber diese Landschaft verlangte von jedem Einzelnen,  Mensch oder Tier den vollen Einsatz.

Gegen 14 Uhr wurde Rast gemacht und wir suchten uns ein schattiges Plätzchen um ein wenig auszuruhen.  Wir packten unsere Sandwiches aus und ließen es uns schmecken.  Auch die Pferde brauchten dann dringend eine Verschnaufpause und sie wurden zum Grasen sich selbst überlassen. Sie blieben jedoch immer in unserer Nähe und nach einer 3/4 Stunde ging es dann wieder weiter.

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„Wohlverdiente Mittagspause – im Schatten einiger Bäume“

Wir kamen erst abends so gegen 19  Uhr wieder auf die Ranch zurück, wo uns wie auch an den folgenden Abenden ein  abwechslungsreiches Abendbuffet erwartete das keinerlei Wünsche offen ließ.

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„Ted, der Rancher beim abendlichen Barbecue – echt amerikanisch“

An manchen Tagen begleitete uns Ted mit seine Bordercollies, dann  hatten wir es etwas leichter die Herden zusammen zuhalten. Denn wenn die Rinder sich in Gestrüpp oder Bäume versteckten und wir nicht an sie heran kamen, schickte Ted die Hunde los und sie holten die Tiere aus ihren Verstecken, egal wo sie sich befanden. Ich war erstaunt über den Mut und die Schnelligkeit, die die Hunde dort bewiesen. Mit Kühen die Kälber führen oder Bullen ist nicht zu spaßen denn die Tiere drehten sich blitzschnell herum und stellten sich gegen die Hunde. Aber der Teamgeist  der Border war riesengroß und mit vereinten Kräften gelang es ihnen immer heil aus  brenzligen Situation zu entkommen. Es gelang ihnen immer die Rinder in die gewünschte Richtung zu schicken. Nun wurde mir auch bewusst, warum  Ted immer so viele Hunde mitführte, denn nur in der großen Gruppe konnten sie gegen die Rinder bestehen.

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„Ted und seine Border auf der Suche nach der Herde“

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„Die Cowboy´s bei der Arbeit“

Mit dieser Arbeit verstrichen dann auch die nächsten 4 Tage.

Unsere Gruppe verstand sich sehr gut und wir hatten großen Spaß bei der Sache, auch wenn wir manchmal an unsere Leistungsgrenzen kamen.

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„Rinder treiben ist ein kräftezehrender  Job“

An einem Tag fanden wir eine tote Kuh, die am Wegesrand lag. Da das Blut ihrer Verletzungen noch frisch war, musste ihr wohl erst vor kurzem etwas zugestoßen sein. Tage später als wir wieder an ihr vorbeiritten, war sie schon sehr stark aufgedunsen und sie stank fürchterlich. Die Pferde und Rinder wollten nicht an dieser Stelle vorbei und es dauerte einige Zeit um sie an dem toten Tier vorbei zu führen. Die Rinder haben es auf den großen Weiten sehr schön, aber wenn etwas passiert sind sie auf sich alleine gestellt. Dies ist der Preis der Freiheit.  Irgendwann , so meinte Conny kommen Wölfe oder Bären aus den Bergen, die das tote Tier riechen und sich dann über den Kadaver hermachen. Ein  anderes  Mal fanden wir eine verletzte Kuh. Sie lag im Sumpf und wir wussten nicht wie es um sie stand. Sie war bereits sehr abgemagert und wollte sich nicht fort bewegen. Als zwei Leute von uns auf sie zuritten um sie hochzutreiben sahen wir die Bescherung, denn sie hatte sich das  Bein gebrochen und lag  wohl schon länger dort. Conny meinte so hart das jetzt auch sei, aber sie müsse aufs offene Weideland getrieben werden ,  damit sie Ted finden und erlösen könnte.

Mir  tat es in der Seele weh ,  sie so leiden zu sehen und ich war den Tränen nahe als sie erschöpft von den Schmerzen nach einiger Zeit wieder zusammenbrach. Sie schaute  mich mit ihren schönen dunklen Augen an, als wollte sie mir sagen hilf mir und mach meinem Leiden ein Ende. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen um ihren Kopf in die Arme zu nehmen und sie zu trösten, aber Conny meinte wir müssen weiter und Ted  die Stelle beschreiben wo er sie finden kann. So schön das Leben auf der einen Seite hier sein kein, so hart ist es auch auf der Anderen .

Am letzten Tag fuhren wir noch weiter in die Berge hinauf. Wieder  wurden die Pferde aus den Trailern geladen  und wir ritten  in ein traumhaft schönes Gebiet .Weiter unten war die Vegetation nicht so üppig und grün wie hier oben. Uns begegneten Kojoten, Rehe und riesige Hirsche .Diese Landschaft war einfach herrlich.

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„Wiesen und Wälder im ständigen Wechsel“

Es war sehr steil und hügelig und wir ritten ungefähr  2 Stunden bis wir auf Rinder trafen. Die Gruppe wurde wieder aufgeteilt und wir sammelten die verstreute Herde ein.

Diesmal waren aber auch viele Bullen in der Herde, die die Kühe während der Weidesaison  besamt hatten. Als wir die große Herde endlich beieinander  hatten kam es unter den  Bullen zu Revierkämpfen und dies war ein atemberaubendes Schauspiel. Sie stießen  dabei  urige Laute aus, senkten den Kopf, scharrten mit den Hufen und stürmten aufeinander los. Doch wirklich passiert ist zum Glück nichts, entweder einer der Bullen drehte vorher ab oder Conny mischte sich ein und vertrieb den Störenfried. Sie sagte uns dass wir  nun in größerer Entfernung bleiben und uns nicht einmischen sollten, da diese Revierkämpfe  sehr gefährlich werden könnten.

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„Kräftige Bullen, majestätisch und doch unberechenbar zugleich“

Unser Team trieb die Herde anschließend in einen Korral bevor die Hunde wieder zum Einsatz kamen. Sie mussten die Tiere zusammenhalten bis wir den Trailer fertig aufgestellt und mit Pennels  geschützt hatten. Nun mussten wir die Bullen von den Kühen trennen um sie in den Trailer zu verladen. Dies erwies sich als  gar nicht so einfach, denn die starken Tiere rannten alles um was sich in ihren Weg stellte. So übersprangen sie  3 mal eine Absperrung und wir hatten große Mühe sie wieder in den Korral zu bringen. Die Bordercollies bewiesen erneut ihren Mut und ihre Teamfähigkeit  und  ließen kein Tier der Herde entkommen  und so konnten wir uns voll und ganz auf die Bullen konzentrieren.

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„Die Border bei der Arbeit“

Nachdem alle Bullen, es waren 9 an der Zahl im Trailer verladen waren fuhr Ted sie auf die nächste Weiden, wo schon andere Kühe warteten um gedeckt zu werden, und  im Frühjahr wieder ihre Kälber zu bekommen.

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„Die Bullen werden verladen – eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit“

Das Gefühl war unbeschreiblich, wenn man vor vollendender Arbeit stand  und man war schon etwas stolz auf sich selbst so etwas geleistet zu haben.

Conny unser Cowgirl  hatte viel Spaß mit uns und erklärte unsere  Gruppe zu der Besten die in diesem Jahr  auf der Ranch mit angepackt hatte.

Am letzten Abend fuhren wir nach dem Abendessen alle gemeinsam in die nahegelegene Bunkhouse Bar. Ted, Debra und Conny waren natürlich mit von der Partie. Wir spielten ein wenig Pool und genehmigten uns ein paar Whisky oder Bier, ganz wie im Wilden Westen.

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„Die Bunk House Bar – eine urige Westernkneipe“

Die Stimmung war riesig  und wir fühlten uns alle wie ganz normale Cowboys, die in dieser Woche etwas vollbracht hatten.

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„Cowboy´s unter sich“

Am nächsten Morgen bevor uns Ted wieder an den Flughafen brachte, ließen wir uns das Frühstücksbuffet noch einmal schmecken. Wir tauschten unsere Adressen aus und verabschiedeten uns von denen die etwas später zum Flughafen mussten. Und obwohl die Heimreise angesagt war, hatten wir alle gute Laune.

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„Die Cityslickers – kurz vor der Abreise“

Alles in allen war es ein für mich ein unvergessliches  Abenteuer, das man für immer in seinem Herzen trägt. Alle Bilder und Erzählungen können das einem Außenstehenden nicht näher bringen, der so etwas noch nicht erlebt hat. Ich konnte mich reiterlich so richtig ausleben und das Galoppieren über die endlosen Weiden Montanas war einfach schöner als alles andere, das ich bis zu dieser Zeit als Reiterin erlebt hatte.

Irgendwann werde ich es bestimmt wiederholen, aber dann hoffentlich gemeinsam  mit meinem Mann, der dieses Mal zu Hause blieb und sich liebevoll um unsere Tiere kümmerte. Denn auch er ist ein begeisterter Reiter und er würde bestimmt auch viel Freude daran haben einmal als Cowboy über die Weiten Montanas zu reiten.